Nachhaltigkeit und Konsumgüter: Warum der Produktentwicklungsansatz den Unterschied macht

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Für ein Unternehmen bedeutet Nachhaltigkeit heute nicht nur irgendwie grüner auszusehen. Immer mehr Unternehmen haben inzwischen klare, wissenschaftsbasierte Nachhaltigkeitsziele und entwickeln ihre Nachhaltigkeitsstrategie auf der Grundlage der 17 Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (siehe Abb. 2) und des Pariser Klimaabkommens. Diese Verpflichtungen und Pläne kommen nicht von allein. Es braucht gewaltige Investitionen. Besonders bemerkenswert ist, dass trotz der weltweiten Coronakrise die Motivation aller Industrien für die Nachhaltigkeit nicht an der 2019 gewonnenen, enormen Dynamik verloren hat. Darüber hinaus sehen viele Führungskräfte und politische Entscheidungsträger den Wandel zur Nachhaltigkeit sogar als Chance für unsere Volkswirtschaften, sich von der Pandemie zu erholen.

 

Abbildung 1: Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Systementwicklung 

Ein heute weithin anerkannter Ansatz zur Bewältigung der Nachhaltigkeitsherausforderung ist das Konzept der Kreislaufwirtschaft. Es ist besonders relevant in den verschiedenen Branchen des Konsumgütersektors, wie der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, der Unterhaltungselektronik, der Haushaltsgeräte-, Mobiltelefon- und Körperpflegeindustrie. Die Güter in diesen Branchen haben eine relativ kurze Lebensdauer, die von wenigen Tagen bis zu einigen Jahren reicht. Das Lebenszeitmodell umfasst meist Produktion, Verteilung, Nutzung/Konsum und Entsorgung als Abfall; besser bekannt als das lineare Modell (siehe Abb. 1). Das Konzept der Kreislaufwirtschaft besteht darin, vom linearen Modell zu einem zirkulären überzugehen. Hierbei werden die für ein Produkt eingesetzten Ressourcen so weit wie möglich wiedergewonnen, recycelt, wiederverwendet oder von Anfang an reduziert. Zwei gute Beispiele für „Reduce“-Ansätze sind das Energiekonzept für das Areal Lengg, eines der grössten Arbeitsplatzgebiete im schweizerischen Gesundheitsbereich, und die innovative Energiespeicherung von Energy Vaults, die beide eine signifikante Reduktion des Verbrauchs nicht erneuerbarer Ressourcen ermöglichen. Das innovative Toilettenkonzept, welches Helbling zurzeit für die Bill & Melinda Gates Foundation entwickelt, ist ein anderes Beispiel für eine „Reuse“-Strategie. Bei diesem Toilettenkonzept wird das Spülwasser kontinuierlich filtriert und wiederverwendet, wodurch der Verbrauch von Frischwasser vermieden und auf eine Abwasserinfrastruktur verzichtet werden kann. Schließlich illustriert ein Projekt für Bombardier Transportation über einen thermoelektrischen Generator für eine dieselelektrische Lokomotive einen „Recover“-Ansatz, bei dem die Wärmeenergie aus den Abgasen des Dieselmotors in elektrische Energie zurückgewonnen wird, die weiter verwendet werden kann.

Im Prinzip gilt: Je «niedriger» wir in diese Kreislaufwirtschaft-Kreisläufe gehen – von der Rückgewinnung bis zur Reduzierung (siehe Abb. 1) – desto mehr kann man die während der Lebensdauer eines Produkts verwendeten Ressourcen einsparen. Für die Produktentwicklung ist es entscheidend, das Konzept der Kreislaufwirtschaft so früh wie möglich in den Produktentwicklungsprozess zu integrieren, idealerweise bereits in der Ideenphase. Jede Entscheidung in diesem frühen Stadium wirkt sich auf die nachfolgenden Phasen aus und gleichzeitig bietet sich hier der grösste Gestaltungsspielraum.

 

Abbildung 2: Die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-development-goals/)

Wenn im geschäftlichen Kontext über ökologische Nachhaltigkeit gesprochen wird, müssen zwei Dimensionen berücksichtigt werden. Die erste ist die effektive Umweltfreundlichkeit und die zweite die Wahrnehmung der Verbraucher in Bezug auf die Umweltfreundlichkeit (siehe Abb. 3). Die erste ist rational und die zweite ist emotional. Effektive, nachhaltige Lösungen aus einer Geschäftsperspektive befinden sich im oberen rechten Bereich der Abbildung: sie sind effektiv umweltfreundlich und werden auch so wahrgenommen. Es ist sehr riskant für eine Firma, in den oberen linken Bereich zu gehen, mit einer Lösung, die zwar nachhaltig aussieht, in Wirklichkeit aber nicht umweltfreundlich ist. Dies kann als «Green Washing» interpretiert werden und kann früher oder später dem Ruf des Unternehmens schaden.

Abbildung 3: Die zwei Dimensionen der Nachhaltigkeit für Konsumgüter und nachhaltiges Produktdesign von der Idee bis zur Industrialisierung. 

Bei Helbling werden in der Ideation-Phase (ganz am Anfang des Projekts) Visionen und Ideen generiert, die zum oberen Bereich der Abbildung gehören (die emotionale Komponente). Dies erfordert vor allem Kreativität und Phantasie sowie ein gutes Verständnis für den Endkonsumenten. Diese Ideen setzen wir dann in der Konzept-, Entwicklungs- und Industrialisierungsphase in reale Produkte um. Dazu verwenden wir einen wissenschaftlichen Ansatz und setzen auf unsere starken ingenieurwissenschaftlichen Fähigkeiten (zum Beispiel bei der Zuverlässigkeitsbewertung, der Lebenszyklusbewertung, der Modellierung des Energiesystems oder der Kostenbewertung). So stellen wir sicher, dass wir mit jedem Schritt auf eine optimale nachhaltige Lösung hinarbeiten. Darüber hinaus achten wir in jeder Phase darauf, dass das entworfene Produkt technisch machbar, wirtschaftlich tragfähig und für die Verbraucher attraktiv ist.

Nachhaltigkeit ist ein Schwerpunktthema in der strategischen Weiterentwicklung des Dienstleistungsangebots von Helbling, wie in unserm Geschäftsbericht fürs Jahr 2019 illustriert.

 

Author: Jonathan Demierre